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.,archy and mehitabel“, by don marquis |
Der fünfte Vorlesemontag im Monat hier
in der Schröerschen gilt dem Sachbuch, aber warum war es diesmal
Michael Maar und seine Literaturgeschichte(n)?
Sind es nicht meist unsere Freunde, die
uns auf gute Bücher stoßen? So auch diesmal, und zwar war gerade
der erste Roman von Michael Maar erschienen: „Die Betrogenen“,
und der wäre wirklich gut, meinte D., war aber nicht zur Hand und
eben auch kein Sachbuch. Also gingen wir statt dessen Maars
Behauptung nach, „Warum Märchen unsterblich sind“ - so der
Untertitel von „Hexengeflüster“.
Literaturwissenschaftler können auch
wie gute Freunde sein. Schon im Anfangskapitel mit dem schönen Namen
„Märchen als Meteoriten“ bekam ich große Lust, nun doch endlich
mal den „Zauberberg“ von Thomas Mann zu lesen. Wir blätterten weiter
zum Kapitel V, über Kunstmärchen, und G. hatte sich deswegen vorher
gleich etwas im Schlemihl eingelesen, der zu Anfang zitiert und dann
von Maar kommentiert wird:
.,Die jüngere Forschung hat nicht
übersehen,“ schreibt Maar, .,daß die beiden Männer rot werden
bei ihrer Unterredung im Park, als gehe es um ein unzüchtiges
Angebot – so wenig wie sie Chamissos stürmische Liebesbriefe an
seinen Freund übersah, eine [sic] gewissen Louis de La Foye.
Nicht ohne Grund hat Thomas Mann öfter auf den Schattenkauf
angespielt und Chamisso einen bewundernden Essay gewidmet.“
Gleich fingen wir an, darüber zu
diskutieren, ob es tatsächlich ein unzüchtiges Angebot sei, und
worin die Unzucht bestünde. Dem freudschen Fehler nach (siehe sic),
geht’s wohl um Homoerotik.
Kurzum, wir waren schon drin im Buch und im Thema. .,Der Zauberberg“, wie ich nun
las, war übrigens Thema seiner Dissertation, weswegen Maar sich da
wohl auskennen muss. Trotzdem, als hingegebener Leser von Laurence
Sterne und nachdem wir im Vorjahr lauter Errötungen und andere
extreme Gefühlswallungen bei Kleist erlesen hatten, beispielsweise
bei seiner .,Marquise von O...“, und auch, was den in Ausführlichkeit
bei Maar besprochenen Andersen betrifft (und seinem Zeitgenossen
Kierkegaard) neige ich eher zur Vermutung, dass die Zeit derlei
Empfindsamkeit den Männern in allen Landen Europas bescherte,
zumindest vom 17. bis ins 19. Jahrhundert. Es
gab noch einen Errötenden in meiner Erinnerung, den ich aber gerade
jetzt nicht mehr zuordnen kann – war er in .,Suchodol“ von Iwan Bunin?
Im Kapitel V allein, auf dem Weg zu
Chamisso wirbelt Maar an Apuleius, Novalis, E. T. A. Hoffmann,
Wilhelm Hauff, Perrault vorbei, auf zu James Krüss und Michael
Ende, dann verweilt er detaillierter bei Brentano und Büchner.
Weiter geht es mit Oscar Wilde, Lewis Caroll, C. S. Lewis und J. K.
Rowling, dann wieder ausführlich Andersen – mit einem Bogen zu
Thomas Mann und seinem .,Zauberberg“. Alles geschieht, um dem
Kunstmärchen seine Geheimnisse zu entlocken oder eher, den Leser in sie
hineinzulocken wie Tannhäuser in den Venus-Berg.
Dies ist ein Buch für
Erwachsene, die hinter Hexen, Höhlen, Drachen erwachsene
Vorstellungen hervorlugen sehen, die wissen, was im Dreißigjährigen
Krieg und bei der Hexenverfolgung unter Menschen im Land so los war;
auch, was die Seele quält und treibt. Auf dem Titelbild geht ein
Glücksritter mit keckem Säbel einer scheinbar hellen Zukunft
entgegen. Am Ende der tunnelartigen schattigen Allee sitzt auf
lichtüberfluteten Stufen eine lockere Schöne. Dahinter gähnt
schwarz die Türöffnung. …
.,Hexengewisper“ ist im Berrenberg Verlag
erschienen, der von Michael Maar auch „Proust Pharao“ aufgelegt
hat und „Leoparden im Tempel“, eine Sammlung literaturkritischer
Aufsätze von Andersen bis Woolf. Alle Berenberg Bücher erfreuen mit
verlässlich schöner Ausstattung: Halbleineneinband, gutes Papier,
Satzspiegel und Schrift die dem Auge wohltun.
Der erste Roman von Michael Maar, „Die
Betrogenen“ ist in diesem Jahr im Verlag C. H. Beck erschienen. „In
seinem glänzend geschriebenen literarischen Debut erzählt der
Essayist und Kritiker Michael Maar von Kunst, Eitelkeit, Sehnsucht
und Tod.“, so heißt es beim Verlag. Könnte man mal versuchen....
.,Der Zauberberg“ von Thomas Mann ist im
S. Fischer Verlag lieferbar, gebunden, als Taschenbuch und auch als
Band 5 der kommentierten Frankfurter Ausgabe.