“Der Knabe war klein, die Berge
waren ungeheuer.”
Das ist der Auftakt zum Tribut,
den Heinrich Mann auf das Leben und Wirken von Henri IV zollt. Der
Satz eröffnet das erste von 17 “Büchern”, die uns durch die
zwei Teile des Roman-Epos leiten. Wir können uns also Zeit lassen
mit dem Lesen, wenn wir ein Jahr ansetzen. Ab und an fallen im Monat
zwei “Bücher” an. Aber zum Warmwerden denke ich, dass wir uns
über den Mai auf “Die Pyrenäen” ( ca 56 Seiten) beschränken.
Auf dem Einband in der Fischer
Taschenbuchausgabe ist Henri schon ein Jüngling. Hier aber ist der
Knabe so zehn, elf Jahre alt und dabei, wie schon die erste Seite
verrät, ein ganzes Kerlchen.
Der
Teil von Navarra, in der Henris Mutter Königin war, Jeanne III. von
Navarra - oder eher bekannt als Jeanne d'Albret -, war um die 1560er
herum noch unabhängig, politisch bedingt aber eng mit dem Frankreich
der Katharina von Medici liiert. Seit Luther 1517 im fernen
Wittenberg die 95 Thesen an die Kirchentür geheftet hatte, war der
Religionsstreit längst durch alle Lande bis zur iberischen Halbinsel
vorgedrungen. Jeanne d'Albret war treue Verfechterin von Calvins
Lehre, eine Hugenottin. Katharina von Medici vertrat die Interessen
von Rom, wenn es ihr gerade passte. Der Westfälische Friede ließ noch viele Jahre auf sich warten, und im 16. Jahrhundert konnte man in Europa nicht
wirklich von Spanien, Frankreich, England und den Niederlanden
sprechen mit der Vorstellung, die wir heute haben. Der Kontinent war
in ständiger Bewegung gemäß der Herrschaftsverhältnisse von den
jeweiligen Königsgeschlechtern. Jeanne, beispielsweise, war
verheiratet mit Anton von Bourbon, und so sehr die Bourbonen im Laufe
der Geschichte als Synonym für ein verkommenes Geschlecht herhalten
mussten (George W. Bushs Clique als eine seiner späteren Vertreter,
sozusagen), so nimmt es bei den Bourbonen mit Henri IV in wirklich grimmen Zeiten
eigentlich einen hoffnungsvollen Anfang.
Aber
erstmal lernen wir die Famile etwas kennen und das schöne Fleckchen
Erde, wo alles seinen Ausgang nimmt:
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Pyrenäen | |
Ausschnitt aus: Andrees Allgemeiner Handatlas; 1893; Bielefeld/Leipzig*
"Von
einem der schmalen Wege zum andern kletterte er durch eine Wildnis
von Farnen, die besonnt dufteten oder im Schatten ihn abkühlten,
wenn er sich hinlegte. Der Fels sprang vor, und jenseits toste der
Wasserfall, er stürzte herab aus Himmelshöhe. Die ganz bewaldeten
Berge mit den Augen messen, scharfe Augen, sie fanden auf einem weit
entfernten Stein zwischen den Bäumen die kleine graue Gemse! Den
Blick verlieren in der Tiefe des blau schwebenden Himmels!
Hinaufrufen mit heller Stimme aus Lebenslust! Laufen, auf bloßen
Füßen immer in Bewegung! Atmen, den Körper baden innen und außen
mit warmer, leichter Luft! Dies waren die ersten Mühen und Freuden
des Knaben, er hieß Henri. Er hatte kleine Freunde, die waren nicht
nur barfuß wie er, sondern auch zerlumpt oder halb nackt. Sie rochen
nach Schweiß, Kräutern, Rauch wie er selbst; und obwohl er nicht,
gleich ihnen, in einer Hütte oder Höhle wohnte, roch er doch gern
seinesgleichen. Sie lehrten ihn Vögel fangen und sie braten. Mit
ihnen zusammen buk er zwischen heißen Steinen sein Brot und aß es,
nachdem er es mit Knoblauch eingerieben hatte. Denn vom Knoblauch
wurde man groß und blieb immer gesund.“
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*Titelseite, in Privatbesitz |
Also
– auf in die Pyrenäen! Am Mittwoch, dem 1. Mai, geht's los. Ich
hoffe, dass sich zum Wochenende um den 1. Juni etliche Lesegefährten
im virtuellen Henri Quatre Colloquium (für jene, die's kurz mögen:
HQC) einfinden.
War
einer in der Gegend und kann Bilder vom heutigen Pau beisteuern?
Welche Stellen im Buch gefielen besonders? Wie ging's mit dem Lesen voran?
Frisch
drauflos geschrieben unter "Kommentar"! Rechts in der Spalte, unter Kommentare, läßt sich verfolgen, wenn es neue Beiträge gibt. In der Zwischenzeit werde ich
im heimischen Bücherschrank stöbern und historische Karten und
relevante Abbildungen beisteuern.